Wie genial ist das denn… Ende des 19. Jahrhunderts wurden Seattles Straßen ein Stockwerk angehoben und die so entstandenen Gänge und Keller (der Seattle Underground – Infos) sind immer noch erhalten. Es finden verschiedene Führungen dorthin statt und natürlich habe ich mir das nicht entgehen lassen (danke nochmal an Ingo für den Tipp).
Wie es dazu gekommen ist? Darüber wurden wir von unserem Guide während einer Underground-Tour 60 Minuten lang aufgeklärt. Und das in einer Geschwindigkeit, die mich schwindelig machte. Wahnsinn der Typ – ich weiß gar nicht, ob er sich zwischen den Sätzen überhaupt Zeit zum Luft holen genommen hat. Trotzdem war alles sehr gut verständlich… hier für euch eine kurze Zusammenfassung von der Entstehungsgeschichte des Seattle Underground.
Der Seattle Underground entstand nach einem großen Feuer
Das auf Höhe des Meeresspiegels errichtete Seattle wurde immer schon bei Flut überschwemmt (naja, vielleicht also eigentlich nicht der beste Ort zum siedeln… aber so genau nahm man das damals nicht). Und auch das unter hohen Investitionen installierte Abwassersystem funktionierte nur bei Ebbe. Schlimmer noch… bei Flut spülten die Toiletten sogar rückwärts. Ziemlich doof, da die teuren Wasserklosetts ja extra angeschafft wurden, um die Straßen der Stadt sauberer zu machen.
Egal, die Seattler waren hart im nehmen und hatten sich schon mit der Situation abgefunden, als am 6. Juni 1889 der direkt am Meer liegende Business District niederbrannte. Spannenderweise ist bei dem Feuer niemand gestorben. Alle (inklusive der Feuerwehrmänner) haben sich rechtzeitig in höher gelegene Stadtteile geflüchtet und das Feuer von dort aus beobachtet.
Beim sofort beginnenden Wiederaufbau der Stadt gab es zwei Voraussetzungen: A) die neuen Häuser werden nicht aus Holz, sondern aus Stein gebaut und b) die Straßen werden ein Stockwerk angehoben, um die Abflussrohre über Meeresspiegel-Niveau zu bringen.
Erst wurden die Straßen angehoben… die Bürgersteige folgten erst Jahre später
Die Aufbauarbeiten waren sehr aufwändig. Um schneller voran zu kommen, wurden die neuen Häuser vom alten Straßenniveau aus errichtet, die Haustüren lagen aber im ersten Stock. Als dann die Straßen um bis zu 10 Meter angehoben wurden (um unter ihnen die neuen Abflussrohre unterzubringen), gab es ein kleines Problem: Die Bürgersteige waren sowohl von der Haustüre als auch von der Straße aus nur über Leitern erreichbar. Verrückt. Und auch abenteuerlich… so gab es beispielsweise eine Gruppe junger Männer in den Gräben, die den Damen “netterweise” die Leitern gehalten haben, wenn sie in ihren Kleidern zum Straßenniveau hochkletterten.
Die Bürgersteige wurden im Laufe der Zeit überdacht und es sind herrliche, unterirdische Gänge entstanden, die niemand mehr brauchte. Und sie sind bis heute noch nutzbar. Auch wenn hier alles ziemlich marode aussieht, scheint alles statisch ok zu sein… Das hoffen wir zumindest, immerhin stehen über uns einige ziemlich vielstöckige Hochhäuser. Eine echt verrückte Geschichte… aber gut für uns. So konnten wir einen spannenden Abend unter den Straßen im Seattle Underground verbringen.
Ach ja, einen Geist gibt es hier übrigens auch. Ein Bankangestellter, der vor über 100 Jahren einem Raubüberfall zum Opfer fiel, soll immer noch jeden Morgen zur Arbeit erscheinen. Am Tag, als wir im Untergrund waren, schien aber einer seiner freien Tage gewesen zu sein. Hihi.
Wo man mich noch findet:
Haha, klasse Beschreibung einer so wahrscheinlich nur in Amerika möglichen Geschichte. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Was machbar ist, wird halt gemacht. Nochmals: Da wäre ich gerne dabei gewesen. Schöne Grüße, Joachim
Der Ort hätte auch wunderbar in dein Buch “Unterirdisch” gepasst.